12 W 24/08
9 O 173/07 Landgericht Darmstadt

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

……

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt durch den Richter… als Einzelrichter gemäß § 568 ZPO am 2. Juni 2008

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird das Kostenschlussurteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 18. Januar 2008 abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 12. Februar 2007 in Anspruch genommen, den die Beklagte zu 1) zulasten des Klägers schuldhaft verursacht hat. Der Kläger ließ sein unfallbeschädigtes Fahrzeug begutachten. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 13. Februar 2007 zu den von den Parteien unangegriffenen Feststellungen, dass der Wiederbeschaffungswert mit Mehrwertsteuer 6.550,00 € und die voraussichtlichen Reparaturkosten mit Mehrwertsteuer 7.538,91 € betragen werden. Der Kläger beauftragte eine Vertragswerkstatt des Fahrzeugsherstellers am 12. Februar 2007 mit der Reparatur des Fahrzeugs. Diese stellte ihm hierfür am 27. Februar 2007 7.324,59 € brutto in Rechnung. Nach Zahlungsaufforderung durch seinen Prozessbevollmächtigten regulierte die Beklagte zu 2) am 21. März 2007 lediglich die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert sowie Sachverständigenkosten und Kostenpauschale. Zur Begründung machte sie geltend, ein darüber hinausgehender Ersatzanspruch werde erst fällig, wenn der Kläger sein Fahrzeug mindestens sechs Monate nach dem Unfall weiterbenutzt habe.

Der Kläger hat die Differenz zwischen dem angemeldeten und dem regulierten Schaden (5.046,78 €) klageweise am 11. April 2007 geltend gemacht. Nachdem er mit Schriftsatz vom 12. September 2007 behauptet hat, er nutze das reparierte Fahrzeug als Eigentümer noch immer, haben die Beklagten die Hauptforderung unter Protest gegen die Kosten anerkannt. Das Landgericht hat am 5. November 2007 Teilanerkenntnisurteil erlassen. Mit Kostenschlussurteil vom 18. Januar 2008 hat es die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt, weil die Klageforderung bis zum Anerkenntnis nicht fällig gewesen sei; auch bei vollständiger und fachgerechter Reparatur könne der Geschädigte Reparaturkosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes nur verlangen, wenn er das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate weiter nutze.

Gegen das am 1. Februar 2008 zugestellte Kostenschlussurteil vom 18. Januar2008 richtet sich die am 13. Februar 2008 erhobene sofortige Beschwerde des Klägers, mit der dieser Kostenbelastung der Beklagten beansprucht, weil die vom Landgericht herangezogene Rechtsprechung des BGH Fälle der Abrechnung auf Gutachtenbasis betreffe, er sein Fahrzeug aber sofort fachgerecht habe reparieren lassen. Eine entsprechende Anwendung auf Fälle durchgeführter Reparaturen sei nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 20. Februar 008 nicht abgeholfen. Die Beklagten verteidigen die Entscheidung.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, da sie statthaft ist und rechtzeitig erhoben wurde, § 99 Abs. 2 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO. Sie ist auch begründet, weil die Voraussetzungen für eine Anwendung von § 93 ZPO nicht vorliegen. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits vielmehr gemäß der § 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO als unterlegene Partei zu tragen.

Voraussetzung für eine Kostenfreistellung der Beklagten als Ausnahme von dem Grundsatz des § 91 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten von dem getragen werden, der sich durch Anerkenntnis in die Rolle der unterlegenen Partei begibt, ist, dass das Anerkenntnis bis zur gesetzten Erwiderungsfrist auf eine fällige Forderung erklärt wird; eine verfrühte Klageforderung braucht hingegen nicht vorzeitig anerkannt zu werden (vgl. Zöller/Herget § 93 Rdnr. 4). Ist eine Klage nicht schlüssig, so kann die beklagte Partei trotz angezeigter Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren noch sofortig anerkennen, nachdem der Gegner seinen Sachvortrag ergänzt hat (vergleiche BGH vom 3. März 2004, VI ZB 21/03, NJW-RR 2004, 999).

Die Schadensersatzforderung des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 12. Februar 2007 war bereits bei Klageerhebung fällig, § 823 Abs. 1, 249, 271 BGB, § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Pflichtversicherungsgesetz. Dem Kläger stand aufgrund der Unfallbeschädigung durch die Beklagte zu 1) ein Schadensersatzanspruch zu, der unter anderem die Kosten für die Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs umfasste. Denn der Kläger hatte von seiner Dispositionsfreiheit Gebrauch gemacht und sich dazu entschlossen, das Fahrzeug reparieren zu lassen. In einem solchen Fall steht dem Geschädigten regelmäßig ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bis zur Höhe von 130% des Wiederbeschaffungswertes zu (BGH vom 15. Oktober 1991, VI ZR 67/91, MDR 1992,132; BGH vom 6. März 2007, VI ZR 120/06, MDR 2007, 831). Vorliegend beliefen sich die durch die Rechnung einer Vertragswerkstatt nachgewiesenen Reparaturkosten, die die Beklagten weder der Höhe, noch der Sache nach angegriffen haben, auf rund 112% des Wiederbeschaffungswertes und waren geringer als die vom Sachverständigen veranschlagten Reparaturkosten. Die Durchführung der Reparatur mit Kosten oberhalb des Wiederbeschaffungswertes lag im Integritätsinteresse des Klägers und ist von den Beklagten zu entschädigen.

Die Ansicht der Beklagten, sie müsse bis zum Ablauf einer Frist von sechs Monaten nach dem Unfall und Nachweis der Weiterbenutzung des vollständig und fachgerecht reparierten Fahrzeugs durch den Geschädigten nur die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert, nicht aber die nachgewiesenen Reparaturkosten innerhalb der 130%-Grenze ersetzen, findet in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Stütze. Sie trifft auch nicht zu.

Zwar hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 23. Mai 2006 (VI ZR 192/05, NZV 2006, 459) ausgesprochen, dass eine weitere Nutzung von regelmäßig sechs Monaten für den Anspruch auf die fiktiven Reparaturkosten Voraussetzung ist und diese Rechtsprechung durch Urteil vom 13. November 2007 (VI ZR 89/07, NJW 2008, 437) fortgeführt. In beiden Fällen haben die Geschädigten jedoch – anders als der Kläger – auf Gutachtenbasis abgerechnet. Eine entsprechende Anwendung auf Fälle wie den vorliegenden ist jedoch weder möglich, noch geboten. Denn der Kläger hat sofort nach dem Unfall und der Begutachtung in schützenswerter Weise disponiert und sich entschieden, sein Fahrzeug mit voraussichtlichen Kosten innerhalb der 130%-Grenze reparieren zu lassen. Das in der Rechtsprechung anerkannte Wahlrecht des Geschädigten zwischen angemessener Reparatur oder Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges und Liquidierung des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes würde einseitig zu Gunsten des Schädigers ausgehöhlt, wenn der Geschädigte über einen nicht unerheblichen Zeitraum von sechs Monaten mit einem erheblichen Teil der Reparaturkosten in Vorleistung treten müsste. Folgte man der Auffassung der Beklagten, so geschähe dies mangels Fälligkeit auch noch zinsfrei. Es muss deshalb im Interesse eines schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelten Geschädigten dabei verbleiben, dass dieser einen fälligen Ersatzanspruch in Höhe
der angemessenen Reparaturkosten hat, sobald er einen entsprechenden Kostennachweis führt.

Aus dem von den Beklagten nachgewiesenen Beschluss des OLG Düsseldorf vom 3.3.2008,1 W 6/08, folgt nichts anderes. Der erkennende Senat teilt dessen Auffassung nicht, aus dem Urteil des BGH vom 27. November 2007 ergäbe sich eine Differenzierung bei nachgewiesenen Reparaturkosten innerhalb der 130%-
Grenze.
Dem Urteil des BGH lag – anderes als hier – eine Reparatur in Eigenregie mit zeitnaher Weiterveräußerung des Fahrzeugs zugrunde.

Da die Beklagten bereits mit Schreiben vom 28. Februar 2007 aufgefordert wurden, unter anderem die Reparaturkosten aus der Rechnung vom 27. Februar 2007 auszugleichen und die gesetzte Frist fruchtlos verstrich, waren die Beklagten bei Klageerhebung in Verzug, haben gleichwohl im schriftlichen Vorverfahren zunächst Antrag auf Klageabweisung angekündigt und konnten daher nicht mehr mit kostenbefreiender Wirkung sofort anerkennen.

Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben, § 574 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung orientiert sich an den überzeugenden Leitlinien der nachgewiesenen Rechtsprechung des BGH.

QuelleBeschluss des OLG Frankfurt am Main vom 02.06.2008, Az.: 12 W 24/08

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